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Eine bischöfliche Tragödie aus München
Über A.I. und die kirchliche Sozialromantik
 
 
 
 
 
 
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Eine bischöfliche Tragödie aus München
   Dunkler Lesemodus
#Catholic   #AI   #Munich  
Ein tragischer Unfall, ein tragisches Ereignis, ein tragisches Fußballspiel. Wer kennt nicht solche Sätze, die man oftmals hört, wenn etwas ungewöhnliches passiert und mit dem man nicht gerechnet hat. Wir benutzen heute oftmals das Wort ‚tragisch‘ ganz selbstverständlich, ohne dabei viel nachzudenken. Dabei hat es eigentlich eine ganz andere Bedeutung.

Das Wort stammt aus dem Griechischen und ist im Zusammenhang mit der griechischen Tragödie, einer bestimmten Form einer Geschichte oder eines Theaterstücks gewachsen. Tragisch ist eine Geschichte im eigentlichen Sinne dann und nur dann, wenn einer der Protagonisten eine Katastrophe herbeiführt, dies aber nur dadurch, dass er oder sie nach seiner oder ihrer Sicht ausschließlich bestem Wissen und Gewissen handelt. In der Tragödie König Ödipus z.B. versucht der Protagonist die für ihn und seine eigenen Eltern katastrophale Prophezeiung des Orakels nach bestem Gewissen zu verhindern und bringt genau und gerade dadurch die Katastrophe ins Rollen.

Was hat dies alles mit Kardinal Marx zu tun ? Nun, ausgesprochen viel. Reinhard Marx, Sohn eines sich stark für soziale Gerechtigkeit einsetzenden Sclossermeisters ist schon früh in dessen Fusstapfen getreten und hat sich bereits von Beginn an in seiner Laufbahn der katholischen Soziallehre gewidmet.

„Wer arbeitet, muss auch am gesellschaftlichen Fortschritt teilnehmen können. Nur so werden wir den Menschen Unsicherheiten und Ängste nehmen.“

(Kardinal Marx)

Seine Bücher sind zumeist diesem Thema gewidmet und seine Gedanken wurden geformt und gestärkt, als nach dem Ende des kalten Krieges und dem Fall der Mauer es eine echte Renaissance dieser Soziallehre gab, insbesondere durch den massiven Einzug des kapitalistischen Prinzips in praktisch alle Ecken und Enden dieser Erde nach dem Fall des Ostblocks. Marx ist mit seinem Fokus auf die Soziallehre Bischof geworden, zuerst in Trier und dann in München und Freising, wo er nicht nur Kardinal wurde, sondern als solcher auch gleich noch Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, Präsident aller europäischen Bischöfe (COMECE) und Leiter von päpstlichen Kommissionen in Rom.

Laut domradio.de vom 8. April 2017 gab Kardinal Marx in einem Interview mit dem Spiegel Magazin folgendes an: „Die Menschen sollten eigenverantwortlich auch mit ihrer Arbeit ihr Leben menschenwürdig gestalten können. ‚Dazu reichen die Arbeitsgelegenheiten des Niedriglohnbereiches nicht aus’, erklärte der Kardinal. Langfristig gute Arbeitsplätze würden durch Investitionen und nicht durch Hartz-IV-Gesetze geschaffen. ‚Der Niedriglohnbereich sollte ja ein Einstieg sein in einen Normalarbeitsvertrag mit anständiger Entlohnung.‘ Das Normalarbeitsverhältnis sei das ‚Rückgrat unserer Gesellschaft und damit auch der Freiheit‘, betonte Marx. Wer arbeite, müsse am Ende mehr als nur das Nötigste zum Überleben haben. ‚Er muss auch am gesellschaftlichen Fortschritt teilnehmen können. Nur so werden wir den Menschen Unsicherheiten und Ängste nehmen.‘ “

Vielleicht bringen diese wenigen Sätze den Kern von Marx’ Ansichten konzentriert auf den Punkt. Seit Jahrzehnten übrigens. Immer wieder sein Fokus auf seine 90’er Jahre Soziallehre, die nicht erweitert werden will.

Anscheinend vom Kardinal unbeobachtet und für ihn wohl tragischerweise haben sich unsere Gesellschaften jedoch radikal weiterentwickelt. Jenseits von Marx’ Fokussierung auf eine sozial verträgliche und möglichst gerechte Verteilung der Güter hat sich eine gänzlich andere Komponente als mittlerweile die maßgeblich Entscheidende des

„Das normale Arbeitsverhältnis ist das Rückgrat unserer Gesellschaft und damit auch der Freiheit.“

(Kardinal Marx)

gesellschaftlichen und auch ökonomischen Leben der meisten Menschen auf diesem Erdball in den letzten 20 Jahren unwiderruflich eingebrannt: Technologie.

In nur drei Jahrzehnten sind aus anfänglich von den europäischen Eliten durchweg belächelten, von chaotischen US-amerikanischen Unternehmensgründern in ihren Garagen entwickelten PC-Spielchen auf Heimcomputern nunmehr vollautomatische Roboter in Produktionswerken entstanden, die untereinander und mit den immer weniger werdenden menschlichen Arbeitern kommunizieren, sind virtuelle, globale Rechner-Netze gesprossen, die jeden kleinsten Winkel der Erde bedecken und kleine, tragbare Smartphones mit Leistungen erwachsen, die wenigen Jahren zuvor noch sperrigen Supercomputern vorbehalten waren. Im Silicon Valley, der Hochburg der Technologieunternehmen in der Nähe von San Francisco redet man vor lautem Überfluss schon nicht mehr sonderlich viel von Geld, wenn man etwas Neues entwickeln will. Es geht um Ideen und um die Gestaltung der Zukunft. Radikal. Kalifornisch. Global. Und mit Macht.



Immer schneller wachsende Produktivitätszuwächse in fast allen Industriesparten sowie das Auftauchen gänzlich neuartiger Industriezweige - einhergehend mit dem verschwinden älterer - waren in den letzten Jahrzehnten schon schwer genug zu kontrollierende, massive Auswirkungen dieser Megarevolution mit Namen Digitalisierung, die Arbeitskraft im großen Stil rationalisiert hat. Doch was nun in den letzten Jahren aus den Schmieden der digitalen Architekten entsprungen ist, ist der Beginn einer Entwicklungswelle, die alles bisher Dagewesene wie kleine Spielzeugklötzchen aussehen lässt, sofern nicht die Elektrizität aufhören sollte, Spannung und Strom zu liefern.

Das erste Aufhorchen der Menschheit war ein Schachcomputer, der unbezwingbarer Weltmeister wurde. Dann schlug ein Supercomputer in einer Wer-wird-Millionär-Show alle Spitzenkandidaten. Und vor wenigen Monaten schlug ein neuartiger, selbstlernender Softwarealgorithmus den besten Go-Spieler der Welt mit 4:1 - in einem asiatischen Brettspiel, in dem es pro Zug mehr nachfolgende Spielvarianten gibt als Atome im Universum und bei dem die Software eine unerklärliche Art von menschlicher Intuition offenbarte und zu Spielzügen kam, die selbst ihre Erfinder nicht mehr verstanden.

‚Artificial Intelligence‘, kurz A.I., oder maschinenlernende Algorithmen sind in aller Munde. Sie werden eingesetzt in selbstreinigenden Putzrobotern, in Spracherkennungssoftware, in der Medizin, in der Werbung, bei Google, Siemens, in selbstfahrenden Autos, in Flugzeugen und ferngesteuerten Drohnen, in High-Tech Brillen, Kühlschränken und Heizungen. Überall und scheinbar unsichtbar. Doch das Wichtigste: sie lernen. Von selbst und mit Hilfe ihrer Erfinder. Sie werden besser, jeden Tag, sie werden schneller und schlauer, durch Millionen und aber-Millionen von Daten, die diese Algorithmen in jeder Sekunde in ausgefuchster Weise analysieren. Jeder - auch tödlich endende - Unfall eines selbstfahrenden Autos macht sie nur noch besser. Und einen Ausschaltknopf für das Internet hat noch niemand gefunden.

Diese selbstlernenden Algorithmen finden durch den Einsatz in Robotern eine perfekte Symbiose zur wirklichen, physikalischen Welt. Kameras fungieren wie Augen, die alles und jeden aufnehmen. Die Software entscheidet, was passieren soll anhand seiner, der Funktionsweise unseres Gehirns nachempfundenen, computer-programmierten Algorithmen und sog. Testdaten - Informationen darüber, welche Handlung mit welchen Informationsmustern verknüpft ausgeführt werden soll.

© MX3D

Die Roboter-Arme bewegen sich so für den Außenstehenden mit unglaublicher Intelligenz. Seine sprachlichen Antworten aus dem Lautsprecher werden immer menschenähnlicher. In Amsterdam ist in diesen Monaten der erste 3D-Druck-Roboter im Einsatz, der lediglich mit Material gefüttert wird. Die Brücke über den kleinen Fluss in der Stadt ‚druckt‘ er von selbst.

Wie weitreichend diese Entwicklungen mittlerweile sind, wurde in einem Bericht der EU Kommission von Mitte 2016 deutlich, in dem erklärt wurde, dass für Roboter eine eigene Kategorie im Rechtswesen eingeführt werden soll, damit diese juristisch zur einer elektronischen Person werden. Die EU Parlamentarier kamen zu dem Schluss, dass Roboter eine Herausforderung und potentielle Gefahr für die Sozialversicherungssysteme sind, da sie zunehmend auch hochqualifizierte Arbeiten erledigen werden können, die heute noch von akademisch gebildeten Menschen ausgeführt werden. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt sogar ein nicht gerade als sonderlich katholisch bekannter Bill Gates, einem der Protagonisten von technologischem Fortschritt schlechthin, der Anfang Februar 2017 in einem Interview sogar eine Steuer für Roboter, die menschliche Arbeitsplätze in großem Stil übernehmen, forderte und damit eine weltweite Diskussion initiierte.

In einer Studie von McKinsey wurde von zweitausend verschiedenen Arbeitstätigkeiten deren Potential für einen zukünftigen Ersatz durch Roboter und intelligente Software ermittelt. Abhängig von den verschiedenartigsten Arbeitstätigkeiten wurde dabei bereits heute eine Wahrscheinlichkeit von minimal 30% bis maximal 90% angegeben.

Wie genau sich die technischen Entwicklungen in Zukunft manifestieren werden, ist noch nicht sicher, manche sprechen von einer sog. „erweiterten Realität“, die intelligente Maschinen durch ihren schnellen Zugriff auf enormes Wissen den Menschen unterstützend vorschlagen könnten. Sicher ist aber, dass eine Riesenwelle mit völlig neuartigen Herausforderungen auf uns zu rollen wird, sollten - wie gesagt - nicht Spannung und Strom plötzlich versiegen.

Nicht nur die hier erwähnten Kommentare des Kardinals sind vor diesem Hintergrund nur noch als naives Resultat einer ignoranten Fehlanalyse und seines wuchtigen Stoizismus seit Jahrzehnten zu bezeichnen und der ihn daran gehindert hat, diese Entwicklungen zu erkennen oder auch nur annähernd vorweg zu nehmen. Selbst im Silicon Valley lacht man nur noch über solche Arten von Sozialromantik und fordert alle Regierungen schon heute auf, mindestens das Grundeinkommen für alle einzuführen, um einem sozialen Aufruhr vorzubeugen. Die Prinzipien und Mechanismen, nach denen auch Kardinal Marx seine Sicht der Soziallehre der Kirche weiterentwickelt hat, bis heute anwendet und mit all seiner Masse verteidigt, sind in Gefahr, allesamt in Frage gestellt zu werden und könnten ihr Fundament verlieren, auf dem diese gebaut wurden.



Die Kirche sollte heute schon aufgerufen sein, sich diesen kommenden technischen und damit gesellschaftlichen Riesenwellen zu stellen. So wie sie im Moment agiert, wird sie nur schwer den Menschen in der Bewahrung seiner Menschlichkeit unterstützen und tragen können, um ihn auch vor den intelligenten Maschinen abzugrenzen, ihn als Mensch an sich zu schützen und um den Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft Weisungen geben zu können, damit sie die richtigen Entscheidungen treffen.

Wenn eine ehemalige und in der nahen Zukunft wohl noch weiter verschwindende Sinngebung des Menschen durch das was man früher einmal als Arbeit bezeichnete verstärkt wegfallen wird,

„Auf die Frage, ob es Aufgabe des Staates sei, Fehlentwicklungen zu korrigieren, sagte Marx: ‚Ganz gewiss sogar, nur sollte er dabei auf die passenden Instrumente zurückgreifen, die Steuern zum Beispiel.‘ Wer mehr Geld habe, müsse mehr zahlen. Das sei der Kern der Solidarität.“
(Kardinal Marx im Gespräch mit dem Spiegel Magazin)
Das Vermögen des Erzbistum München und Freising beträgt ca. 6 Milliarden Euro.

werden umso mehr andere Lebensinhalte notwendig werden, um eine bewusste Dekonstruktion des Menschen zu verhindern. Dieser Herausforderung sollten sich auch die Kirchen stellen. Wenn sie dies nicht tun, werden andere ihren Platz einnehmen.

Das alles ficht Kardinal Marx nichts an. Wozu auch, des Kardinals’ Soziallehre steht ja auf festem Beton. Vielleicht wird es für ihn langsam Zeit, die Dinge zu überdenken. Vielleicht eine Auszeit nehmen, vielleicht ins Kloster gehen. Wieder neu zu Sinnen kommen. Und vielleicht diese Kreisbewegung endlich aufzubrechen versuchen, damit er wieder das sein kann, was er eigentlich sein sollte: Hirte für seine Schafe und kein an Jetlag leidender Politiker und tragischer Bischof aus München.





Wir haben diesen Beitrag dem Kardinal in München in seinen Palais eingeworfen. Von dort wurde unser Artikel an die Deutsche Bischofskonferenz weitergeleitet. Ein paar Wochen später haben wir eine Antwort von dort erhalten und die belegt, dass der Kardinal dringend eine bessere Beratung nicht nur in dieser Angelegenheit benötigt.

Zu lesen ist dieses Statement der Bischofskonferenz hier.






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