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Die Dekonstruktionalisten
Über französische Philosophen mit weitreichender Wirkung
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Die Dekonstruktionalisten

Eltern sind mit dem Verhalten destruktiver Kinder auf einem Spielplatz oder am Strand bestens vertraut. Es dauert Stunden, um mit den eigenen Kindern atemberaubend schöne Landschaften voller Burgen, Festungen, Häuser und andere kreative Objekte im Sand zu bauen. Oft jedoch erscheint ein zerstörerisches Kind aus dem Nichts, um schließlich die Ergebnisse der stundenlangen sandvollen Hingabe innerhalb weniger Sekunden mit Genuss zu zerstören.

Man ist durchaus an solche zerstörerischen Kinder erinnert, wenn man die Werke zweier berühmter französischer Philosophen mit Namen Michel Foucault und Jacques Derrida liest. Ihre Schriften, einige der wichtigsten wurden in den 1960er Jahren veröffentlicht, führten zu einem neuen Kapitel in der Disziplin der Philosophie: dem "Postmodernismus" oder auch "Dekonstruktionismus".

Michel Foucault, geboren 1926 in Poitiers, Frankreich als Sohn einer Arzt-Familie, studierte Psychologie und Philosophie an der Pariser Eliteuniversität Ècole Normale Superieure (ENS) und ging später an die berühmte Sorbonne Universität, wo er seine Psychologie-Lizenz erhielt. Mit 25 Jahren und ohne viel Erfahrung in der realen Welt wurde er Universitätsprofessor an der ENS, wo er viele Philosophiestudenten in seine Vorlesungen anzog, darunter Jacques Derrida. Foucault, ein Bewunderer des umstrittenen französischen Psychiaters Jacques Lacan, trat 1950 kurz vor Abschluss seiner Dissertation der Kommunistischen Partei Frankreichs bei, verließ die Gruppe jedoch nur drei Jahre später aufgrund von Konflikten mit Stalinisten und seiner offenen Homosexualität:

Ich war nicht immer der Schlaueste, ich war eigentlich sehr dumm in der Schule ... da war ein Junge, der sehr attraktiv war und noch dümmer als ich. Und um mich bei diesem Jungen, der sehr schön war, einzuschmeicheln, fing ich an, seine Hausaufgaben für ihn zu machen - und so wurde ich schlau, ich musste all diese Arbeit machen, um ein bisschen besser zu sein als er, um ihm zu helfen. In gewisser Weise habe ich den ganzen Rest meines Lebens versucht, intellektuelle Dinge zu tun, die schöne Jungen anziehen. (Michel Foucault, 1983)

Foucaults Dissertation mündete in sein Buch "Wahnsinn und Gesellschaft", das 1961 veröffentlicht wurde. Darin behauptete er unter Anderem, dass die Disziplin der Psychoanalyse für die "Einkerkerung" von wahnsinnigem Verhalten verantwortlich wäre, nicht etwa umgekehrt.



Während Philosophen es vorziehen, sich auf abstrakte Aspekte zu konzentrieren die zumeist vom realen Leben eher abgetrennt sind, konzentrierte sich Foucault auf sehr praktische Bereiche von Zivilgesellschaften, die nicht nur auf Gedanken über die Regierung, das Justizsystem, Gefängnisse und die Psychiatrie beschränkt waren. Die meisten Philosophen betrachten eine jegliche Regierung eher kritisch, Foucault ermutigte jedoch eine stärkere Regierung mit erweiterten Befugnissen und Verantwortlichkeiten, um selbst die individuellsten Aspekte ihrer Bürger zu kontrollieren und zu gestalten:

Dieses Wort [Regierung] muss die sehr umfassende Bedeutung haben, die es im 16. Jahrhundert hatte. "Regierung" bezog sich nicht nur auf politische Strukturen oder auf die Verwaltung von Staaten; vielmehr bezeichnete es die Art und Weise, wie das Verhalten von Einzelpersonen oder Gruppen gesteuert werden konnte - die Regierung von Kindern, Seelen, Gemeinschaften, Kranken ... In diesem Sinne zu regieren bedeutet, das mögliche Feld von Handlungen anderer zu kontrollieren. (Michel Foucault in "Subjekt und Macht")

Foucault ging noch weiter und behauptete, Individualität sei einzig das Ergebnis des sozialen Machtumfelds und der in ihnen verkörperten Strukturen:

Es ist meine Hypothese, dass das Individuum keine vorgegebene Einheit ist, die durch die Ausübung von Macht erfasst wird. Das Individuum mit seiner Identität und seinen Merkmalen ist das Produkt eines Machtverhältnisses, das über Körper, Vielheiten, Bewegungen, Wünsche, Kräfte ausgeübt wird. (Michel Foucault)

Die Methoden des Staates, deren Bürger mit Verhaltensvorschriften zu belegen, bezeichnete Foucault als "disziplinarische Normalisierung". Insbesondere widmete sich Foucault in seinen 1977er Vorlesungen, die unter dem Titel "Sicherheit, Territorium, Bevölkerung. Geschichte der Gouvernementalität" zusammengefasst wurden mit einer gewissen Faszination den staatlichen Massnahmen im Umfeld von Pockenimpfungen im Europa des 18. Jahrhunderts:

Anders als unter der allgemeinen Kategorie der Epidemie, die Räume mit Phänomenen der Überlastung, der Beschleunigung, der Zunahme kennzeichnen, die bewirken, daß die Zunahme der Krankheit droht, auf dem recht gewissen Weg der Ansteckung die Fälle zu vervielfachen, die ihrerseits weitere Fälle vervielfachen, und zwar einer Tendenz, einer Neigungslinie entsprechend. Diese Phänomene der Überlastung, die regelmäßig entstehen und die sich auf ebenso regelmäßige Weise aufheben, sind im großen Ganzen das, was man die Krise nennt. Die Krise ist jenes Phänomen der zirkulären Überlastung, die sich nur eindämmen läßt entweder durch einen natürlichen und superioren Mechanismus, der sie abschwächt, oder durch eine künstliche Intervention [einer Impfung].

Foucault, "Sicherheit, Territorium, Bevölkerung. Geschichte der Gouvernementalität", Seite 93

Aus Betrachtungen der staatlichen Massnahmen bei Impfungen erkannte Foucault eine neue Form der Kontrolle von Individuen, die einer Vollüberwachung gegenüberstehe, die Foucault mit dem Begriff Panoptismus, einem aus den griechischen Wörtern "alles" und "sehen können" zusammengesetztes Wort bezeichnete:

Die Idee des Panoptismus ist, jemanden, ein Auge, einen Blick, ein Überwachungsprinzip im Zentrum zu platzieren, der seine Souveränität gewissermaßen auf alle Individuen wirken lassen kann, die im Inneren dieser Machtmaschine sind. Keiner meiner Untertanen entgeht mir, und keine Geste keine meiner Untertanen bleibt mir unbekannt; noch einmal der perfekte Souverän, auf eine gewisse Art der Zentralpunkt des Panoptismus. Was wir dagegen jetzt auftauchen sehen, ist nicht die Idee einer Macht, welche die Form einer erschöpfenden Überwachung der Individuen annähme, damit jedes von ihnen gewissermaßen in jedem Moment bei allem, was es macht, für die Augen des Souveräns gegenwärtig wäre, sondern die Gesamtheit der Mechanismen, die für die Regierung und für diejenigen, die regieren, recht spezifische Phänomene relevant werden lassen, die nicht exakt die individuellen Phänomene sind. Das ist eine ganz andere Weise, das Verhältnis Kollektiv-Individuum, das Verhältnis Totalität des sozialen Körpers-elementare Fragmentierung in Gang zu setzen, das ist eine andere Art, die in dem wirkt, was man Bevölkerung nennt. Und die Regierung der Bevölkerungen ist, denke ich, etwas von der Ausübung einer Souveränität bis in die feinsten Quentchen der individuellen Verhaltensweisen hinein völlig Verschiedenes. Wir haben hier zwei Machtökonomien, die, wie mir scheint, völlig verschieden sind.

Foucault, "Sicherheit, Territorium, Bevölkerung. Geschichte der Gouvernementalität", Seite 102


Foucault nahm auch verschiedene internationale Lehraufträge an. Er unterrichtete und lebte in Warschau, Polen, in Hamburg und in Tunis, Algerien. 1970 begann er, Gefängnisinsassen politisch zu unterstützen, was zur Veröffentlichung seines Buches "Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses" führte. Ab 1975 schrieb er drei Bücher über die Geschichte der Sexualität, bevor er 1984 an AIDS starb. Foucault erlangte unter vielen linksradikalen Aktivisten und liberalen politischen Gruppen post-mortem Respekt, nicht nur bei Antifa-Gruppen in Deutschland und ebenso dortigen LGBTQ-Gemeinschaften.



Jacques Derrida kam zu nicht unähnlichen philosophischen Schlussfolgerungen. Er wurde 1930 in Algerien als Sohn jüdischer Eltern geboren und durfte wegen diskriminierenden Praktiken gegenüber Juden zu dieser Zeit dort keine öffentliche Schule besuchen. Die Kindheitserfahrungen und sein Aufwachsen in einer in sich verschlossenen Gemeinschaft hatten einen großen Einfluss auf seine philosophische Arbeiten. Derrida lernte, was es bedeutet, ein Franzose unter Arabern in Algerien und später ein Jude unter Katholiken in Paris zu sein, nachdem seine Familie 1949 dorthin umzog.

Seine Einschreibung an der Eliteuniversität Ècole Normale Supérieure (ENS) folgte nach einer etwas schwierigen Phase, Derrida musste eine erste Zulassungsprüfung wegen Pillenmissbrauch abbrechen. Er wurde schließlich 1952 in die Elit-ENS-Universität aufgenommen, bestand jedoch die Abschlussprüfungen in Ethnologie und Psychologie nicht und scheiterte sogar in Philosophie in einer Lehrerprüfung in 1955. Während dieser Zeit knüpfte Derrida eine langjährige Freundschaft mit oben genannten Michel Foucault.

1956 besteht Derrida schließlich seine Prüfungen und erhält seltsamerweise ein Stipendium für einen Aufenthalt an der Harvard University in den USA. Er wird 1960 an die Sorbonne Universität berufen, wechselt aber durch Unterstützung des berühmten französischen Philosophen Louis Althusser schnell wieder zur ENS. Derrida war Mitglied der Studentenprotestbewegung von 1968, eine Zeit, in der er seine beiden wohl wichtigsten Bücher "Sprache und Phänomen" und "Grammatologie" schrieb.



In ihnen versuchte er eine radikal neue Sicht der Welt zu rechtfertigen. Im Zentrum seiner Erkenntnisse steht Sprache und dessen Funktionalität. Wenn wir denken, verbinden wir Wörter mit einem Bild und ebenso umgekehrt wenn wir ein Objekt mit unseren Augen beobachten. Laut Derrida definieren wir Objekte oder Wörter jedoch nicht durch ihr Potenzial, transformiert werden zu können, sondern assoziieren historisch entwickelte Wortpaarungen mit ihnen, die einander entgegengesetzt sind: schwarz - weiß, Frau - Mann, gut - böse, hell - dunkel.

Derrida war ebenso davon überzeugt, dass Wörter in einem geschriebenen Text in ihrer Bedeutung in keinster Weise festgelegt sind und dass sogar einzelne Buchstaben und Zeichen in ihrer Interpretation völlig "offen" seien. Hierarchien von Wörtern und ihre festgelegten Bedeutungen müssen deshalb laut Derrida aufgeschlüsselt oder "dekonstruiert" werden, eine Vorgehensweise, die in fast allen feministischen und auch vielen heutigen radikalen politischen Bewegungen wie im "Gender-Mainstreaming" oder in den #MeToo-Kampagnen zugrunde gelegt wurde.

Ein Text ist kein Text, es sei denn, er verbirgt sich in der ersten Ecke, vor dem ersten Blick, dem Gesetz seiner Zusammensetzung und den Spielregeln. Ein Text bleibt zudem für immer unmerklich. Seine Gesetze und Regeln sind jedoch nicht in der Unzugänglichkeit eines Geheimnisses verborgen; es ist einfach so, dass sie in der Gegenwart niemals in etwas gebucht werden können, was man rigoros als Wahrnehmung bezeichnen könnte. (Jacques Derrida)

Zu Derridas politischen Engagements gehörte der Kampf gegen die Apartheid in Südafrika und gegen die Todesstrafe in den USA. Er unterstützte linksliberale politische Gruppen in Frankreich, warb für illegale Einwanderer und deren Wahlrechte und setzte sich für die Homo-Ehe ein. Er starb im Jahre 2004 an Krebs.


Dekonstruktion laut Derrida bedeutet nicht nur den Abbau historisch festgelegter Gegensätze, sondern auch die Schaffung von etwas Neuem. Etwas, das bisher unsichtbar oder verborgen war.

In seiner extremen Form nicht unähnlich zu bösen Kindern am Strand, die schöne, in den Sand gebaute Landschaften zerstören.









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